Die Idee einer gemeinsamen Währung der BRICS-Staaten wird immer wieder diskutiert, insbesondere als möglicher Ersatz für den US-Dollar als Weltreservewährung.
Schon 2012 wurde das „Master Agreement on Extending Credit Facility in Local Currency“ und das „Multilateral Letter of Credit Confirmation Facility Agreement“ zwischen den BRICS-Staaten mit dem expliziten Ziel abgeschlossen, den US-Dollar als Weltreservewährung anzugreifen. Seitdem wurde diese Idee immer wieder aufgegriffen. Nun soll auf dem nächsten BRICS-Gipfel im August in Südafrika erneut ein Versuch unternommen werden, die Grundlagen für eine neue Währung zu legen. Doch wie realistisch ist diese Idee?
Dollar-Dominanz: BRICS-Staaten mit geringem Anteil am Devisenhandel
Ein Blick auf den Anteil der BRICS-Währungen am globalen Devisenhandel zeigt, dass sie noch einen langen Weg vor sich haben. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) betrug der Anteil der BRICS-Währungen im April 2022 insgesamt etwa 11%, wobei der chinesische Renminbi (RMB) mit rund 2% den größten Anteil ausmacht. Zum Vergleich: Der Euro hat einen Anteil von 20% und der US-Dollar einen Anteil von 60%.
Weiche und harte Faktoren für eine Ersatzwährung
Eine gemeinsame Währung der BRICS-Staaten könnte potenziell den Handel untereinander erleichtern und die Abhängigkeit vom US-Dollar verringern. Doch es gibt viele Herausforderungen, die einer solchen Währung im Wege stehen. Neben einigen „weichen“ Faktoren, von denen der Erfolg einer Reservewährung abhängt, müssen einige „harte“ Kriterien erfüllt werden. Zu den weichen Faktoren gehören das Vertrauen in einen Staat bzw. die Währung, politische Stabilität und das Vertrauen der eigenen Bevölkerung in den Staat.
Diese Kriterien erfüllen die BRICS-Staaten jedoch nur zum Teil. Weder Südafrika noch Brasilien sind besonders stabile Länder. Das Vertrauen in Russland und China ist nicht unbedingt gegeben. Lässt man die westliche Sichtweise außen vor, so bewegen sich zentralasiatische Staaten von Russland weg und orientieren sich entweder gen USA oder zu China. China wird im „Globalen Süden“ durchaus ambivalent gesehen: Zwar engagiert sich China mit seiner „Belt and Road Initiative“ stark in diesen Ländern, aber in diesen Staaten wird auch immer deutlicher der negative Aspekt der „China Debt Trap“ (Schuldenfalle) offensichtlich.
Die „harten“ Bedingungen wiegen aber durchaus schwerer. Diese sind: Es braucht eine unabhängige Zentralbank und Finanzaufsicht sowie einen offenen Finanzmarkt. Diese Bedingungen erfüllen derzeit keines der BRICS-Länder. Alle Länder haben vielmehr recht strikte Devisenkontrollen eingeführt. An den Investitionen deutscher Unternehmen in China wird dies besonders deutlich: Da die Unternehmen ihre Profite nicht einfach ins Ausland transferieren können, werden sie wieder in China investiert.
In Russland, Brasilien und Indien sind zumindest die Zentralbanken unabhängig. Für China ist dies undenkbar. Per Definition müsste China die Kontrolle über seine Kapitalbilanz aufgeben, was letztendlich bedeutet, dass es seinen Überschuss an Ersparnissen gegenüber Investitionen umkehren müsste – etwas, das es seit Jahrzehnten nicht geschafft hat. Es bedeutet auch, die Kontrolle über seine Handelsbilanz aufzugeben.
China von Handelsüberschuss zum -defizit?
Michael Pettis, Professor an der Peking University, nennt noch eine andere Bedingung: Ein Land muss ein Außenhandelsdefizit aufweisen. Die Idee dahinter: Wenn ein Land ein Außenhandelsdefizit aufweist, importiert das Land Waren und Dienstleistungen, während es seine Währung exportiert. In den Bezugsländern entstehen so Devisenreserven aus dem Land mit dem Außenhandelsdefizit.
Für Russland und vor allem für China würde dies bedeuten, dass China, wenn es denn ernsthaft an der Schaffung einer Ersatzwährung interessiert wäre, sein Geschäftsmodell um 180 Grad ändern müsste. Xi Jinping versucht seit seinem Amtsantritt mit der Politik des „Inneren Kreislaufs“, die Binnennachfrage anzukurbeln. Der Handelsüberschuss vergrößert sich jedoch, statt sich zu verringern. Es dürfte auch unwahrscheinlich sein, dass sich das ändern wird, solange sich die Immobilienkrise durch alle Lebensbereiche in China frisst. Denn 70% der chinesischen Ersparnisse sind in Immobilien angelegt, die potentiell und real an Wert verlieren.
BRICS: Warnung vor Naivität in Bezug auf die Schaffung einer Ersatzwährung zum Dollar
Michael Pettis warnt in einem Rant auf „Twitter“ deutlich vor der Naivität mancher Analysten (und Politiker): „Es überrascht mich, dass so viele Analysten denken, dass die Änderung der dominanten globalen Währung so einfach ist wie das Ändern der Farbe deines Hemdes: Abgesehen davon, dass es etwas hübscher aussieht, wird sich nichts Grundlegendes in deinem Leben verändert haben. Ich denke, das liegt daran, dass sie glauben, dass der Wechsel von strukturellen Überschüssen zu strukturellen Defiziten eine Kleinigkeit ist, eine Frage des Imports ein wenig mehr. Das zeigt, wie wenig sie das Verhältnis zwischen dem internen und dem externen Konto eines Landes verstehen“.
Nicht unterschätzen sollte man vielleicht auch die Rivalität der BRICS-Länder untereinander, insbesondere zwischen China und Indien. Sichtbar wurde der Konflikt dieser Tage durch eine „Bitte“ der indischen Regierung an Banken und Trader, russisches Öl nicht in Yuan zu bezahlen, sondern, wenn schon nicht in US-Dollar, dann doch lieber in Dirham, der Währung der Vereinigten Arabischen Emirate (UAE).
In einer Analyse für die „Financial Times“ kommt Paul McNamara, Direktor bei GAM Investment, zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass „wenn man eine Währung sucht, um die US-Hegemonie im Devisenhandel herauszufordern, die nicht-chinesischen Mitglieder der BRICS-Gruppe ihre Abhängigkeit von Peking nur erhöhen würden“. Und damit würde China einen weiteren Baustein für eine chinesische Hegemonie in den Händen halten.
Author: Kimberly Neal
Last Updated: 1702202761
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